Das neue Ausbildungskonzept in der Pflege

„Pflegenotstand“ – ein Begriff macht Karriere, die Presse ist voll davon. Zu wenig Pflegepersonal bei zu vielen Pflegebedürftigen, darum geht es. Und was kann man dagegen tun? Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich der Sache angenommen und schraubt an der Ausbildung. Ziel: eine allgemeine Aufwertung des Berufsstandes. Ich habe mich mit Manuela Deininger, der Pflegedienstleitung von „Mitten im Leben e.V.“ über die Veränderungen unterhalten.
Petra Dahlemann: „Frau Deininger, können Sie erklären, wie die Ausbildung von Altenpflegern bisher war?“
Manuela Deininger: „Früher gab es drei Berufe. Den des Krankenpflegers, der Kinderkrankenschwester und des Altenpflegers. Um letzteren hatten wir in Deutschland lange gekämpft, mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde er geschaffen. Ein Krankenpfleger lernte drei Jahre, der Altenpfleger zwei. Unter diesen Bedingungen habe ich 1998 meine Fachausbildung gemacht. Anderthalb Jahre Theorie, dazwischen machte man zwei Praktika. Nach der Zwischenprüfung wurde man zum Berufspraktikum zugelassen. Nach sechs Monaten Praxis und der Abschlussprüfung war man examinierte Altenpflegerin. Eine Krankenschwester dagegen lernte drei Jahre, um eine examinierte Pflegekraft zu sein. Sie hat ja auch mehr medizinische Fachkenntnisse gebraucht.
Es gab schon immer Altenpfleger, die auch gern im Krankenhaus gearbeitet hätten. Das ging aber nicht. Andersherum natürlich schon. Meine Erfahrung war, dass die Krankenpfleger medizinisch umfassend gebildet waren, aber schlechter in der Alltagsbegleitung von alten Menschen. Umgekehrt hatten die Altenpfleger Probleme bei sehr schwierigen Pflegefällen, die eine umfassende medizinische Versorgung brauchten. Man hat auch verstanden, dass in gerontopsychiatrischen Stationen Altenpfleger dringend gebraucht werden. Dahin kommen Menschen nicht mit einem Operationsbedarf, sondern weil sie dement oder in einer Krise sind.
Nun kommt die EU dazu: Überall in Europa gibt es den Beruf der Krankenschwester, aber den Beruf der Altenpflegerin gibt es nur in Deutschland. Wenn ich in ein anderes Land gehe, bin ich keine qualifizierte Pflegekraft. Das soll jetzt EU-weit vereinheitlicht werden. Das neue Ausbildungskonzept ist eine Idee, um dem Pflegenotstand zu begegnen: mit einer multifunktionalen Pflegefachkraft, die überall arbeiten kann. Damit soll der Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers aufgewertet werden. Die Idee ist, dass alle Pflegekräfte die gleiche dreijährige Ausbildung machen.

Und was denken Sie darüber?
Man macht aus drei Berufen, für die wir lang gekämpft haben, einen. Schreiner und Zimmermann sind ja auch nicht das Gleiche! Wieso brauchen wir medizinisch hochgebildete Kräfte, die auch in einer Säuglingsstation arbeiten könnten, in der Versorgung Demenzkranker? Wenn wir die Zugangsvoraussetzungen so hoch ansetzen, werden sich noch weniger Leute bewerben. Die aus dem Ausland kommen und Sprachschwierigkeiten haben, oder junge Leute, die es nicht ins Gymnasium oder in die Realschule geschafft haben, aber zum Beispiel ganz liebevoll zu Menschen sind oder praktisch veranlagt, die haben vielleicht nicht so einen hohen Bildungsabschluss und kommen nicht rein.
Und was denken Sie darüber?
Man macht aus drei Berufen, für die wir lang gekämpft haben, einen. Schreiner und Zimmermann sind ja auch nicht das Gleiche! Wieso brauchen wir medizinisch hochgebildete Kräfte, die auch in einer Säuglingsstation arbeiten könnten, in der Versorgung Demenzkranker? Wenn wir die Zugangsvoraussetzungen so hoch ansetzen, werden sich noch weniger Leute bewerben. Die aus dem Ausland kommen und Sprachschwierigkeiten haben, oder junge Leute, die es nicht ins Gymnasium oder in die Realschule geschafft haben, aber zum Beispiel ganz liebevoll zu Menschen sind oder praktisch veranlagt, die haben vielleicht nicht so einen hohen Bildungsabschluss und kommen nicht rein.
Wie ist die Ausbildung künftig aufgebaut?
In Zukunft werden alle zwei Jahre in die Schule gehen und allgemeine Pflege lernen. Dann müssen sie eine Zwischenprüfung machen und im dritten Jahr können sie entweder die generalistische Ausbildung weiter machen oder sich auf einen der drei Bereiche spezialisieren. Ich vermute, dass die meisten die generalistische Ausbildung fertig machen, um sich alle Optionen offen zu halten. Ich kann mir das so richtig ausmalen: „Am liebsten wäre mir Kinderkrankenschwester, wenn ich da keinen Platz kriege, nehme ich eben die Krankenschwester. Und alle, die dann übrigbleiben, „müssen“ in die Altenpflege, bis sie einen freien Platz woanders ergattern. Wenn das wirklich so läuft, kriegen wir natürlich weniger Arbeitskräfte in der Altenpflege und zwar viel weniger.
Wie fassen Sie denn den Beruf des Altenpflegers auf?
Unsere Hauptaufgabe in diesen Einrichtungen ist der Mensch. Seine Alltagsbegleitung, seine Lebensbegleitung. Seine Sterbebegleitung. Und nicht: wie viele Tabletten bekommt er, welche Verbände bekommt er. Ich fürchte, wir bekommen hoch qualifizierte Fachidioten, die aber nicht in der Lage sind, in der Altenpflege zu arbeiten. Eine Krankenschwester ist eine Pflegekraft, die versucht, kranke Menschen wieder auf die Beine zu bringen. Wenn sie wieder gesund sind, gehen sie nach Hause. Eine Altenpflegerin dagegen begleitet Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Diese Menschen sind nicht mehr gesund zu machen! Man kann nur versuchen, mit kleinen Dingen des Alltags den Leuten eine Freude zu machen. Einen kranken Menschen gesund zu machen, bedeutet nämlich nicht automatisch für ihn Lebensqualität. Im Krankenhaus ist alles zeitlich begrenzt. Lebensqualität erreicht der Mensch, wenn er wieder gesund ist. Deswegen mutet eine Krankenschwester einem Patienten auch mal etwas Unangenehmes zu – weil sie sich eine Verbesserung erhofft. Wir erwarten keine mehr. Deshalb sind diese zwei Berufe für mich absolute Gegensätze.
Die praktische Ausbildung beginnt erst, wenn die Azubis mit der Schule fertig sind und arbeiten. Dann muss das sowieso schon überlastete Personal in der Altenpflege, das fast nicht mehr kann, die Schulabsolventen an die Realität gewöhnen.
Formiert sich Widerstand?
Schon, aber man hatte ja so lange auf diese Umstrukturierung gewartet und irgendwas musste Herr Spahn jetzt liefern. Das einzige Zugeständnis ist, dass die neue Ausbildung wissenschaftlich
begleitet wird. Nach zwei Ausbildungszyklen, sprich sechs Jahren, wird es eine Studie geben. Und dann sieht man weiter.
Was hätte denn tatsächlich geholfen, den Beruf aufzuwerten?
Bessere Arbeitsbedingungen natürlich. Bessere Arbeitszeiten. Mehr Geld. Man hätte ja auch mal eine Kampagne starten können: Was macht die Altenpflege aus und warum ist das ein toller Beruf? Mir tun zukünftig alle Seiten leid, die alten Menschen, die KollegInnen, die Auszubildenden. Pflegedienst leiten? Das wird auch ein Studium. „Pflegemanagement“. Noch mehr Büroberufe, statt Praktiker. Für die, die in der Pflege ausharren, verändert sich rein gar nichts.
Vielen Dank Frau Deininger.